»Erkenne dich selbst« rieten schon die alten Griechen. Doch wozu soll das gut sein?
Ich lese ungern Benutzeranleitungen von Software. Gottlob braucht es das bei Apple Macintosh Programmen fast nie. Die einfacheren Eigenschaften findet man auch intuitiv heraus. Aber irgendwann komme ich mal an den Punkt, wo ich die fortgeschrittenen Möglichkeiten des Programms beherrschen möchte. Das ist vor allem dann, wenn ich durch Fehlbedienung eine wichtige Arbeit verloren habe. Und dann wünsche ich mir jedesmal, ich hätte das schon früher getan. Ich hätte mir so vieles erspart!
So ähnliche Erfahrungsberichte bekomme ich auch oft von den Teilnehmern meiner Selbsterfahrungsgruppen. Wenn sie gewusst hätten, was in ihnen steckt und wie sie sich behandeln müssen, damit das zum Vorschein kommt, hätten sie sich viele Irrwege ersparen können. Wenige Menschen haben gelernt richtig mit sich selbst umzugehen und leben oft weit unter ihren tatsächlichen Fähigkeiten.
So war es auch mit Katja L. Sie kam zu mir, weil sie in einer anderen Selbsterfahrungsgruppe traumatische Erfahrungen gemacht hatte. Irgendwie war sie dort in die Rolle des Sündenbocks geraten und die ganze Gruppe hackte auf ihr rum. Sie war „schuld daran, dass nichts vorwärts ging“, dass „keine Offenheit in der Gruppe wäre“ und sie ohnehin „zu viel Zeit beanspruche“. Dies ging schließlich so weit, dass man sie aufforderte, die Gruppe zu verlassen.
Sie wechselte dann zu mir und fühlte sich in meiner SE-Gruppe schnell wohl und gut aufgehoben und erzählte, dass ihr das dauernd passieren würde. Wo immer sie hinkam, wurde sie trotz ihrer aufrichtigen Bemühungen um Sympathie und Freundschaft bald zum Prügelknaben.
In Gesprächen und Übungen wurde ihr Muster offenkundig: Das war die Rolle, die sie zuhause, in ihrem lieblosen Elternhaus schon gehabt hatte. Und ohne zu wissen, wie sie das tat, lud sie andere dazu ein, sie in genau dieser Rolle zu bestätigen.
Das war vor etwa 10 Jahren. Ich traf sie vor kurzem wieder, als sie ins Institut kam, um mir ihre zwei umfangreichen Fachbücher zu überreichen, die sie in der Zwischenzeit geschrieben hatte. Sie erzählte davon, wie ihr die Selbsterfahrung in meiner Gruppe gezeigt hätte, dass sie weit mehr Möglichkeiten und Talente hätte, als sie sich jemals zugetraut hatte. Die beiden Fachbücher, verlegt bei einem namhaften Verlag, waren ein schöner Beleg dafür.
Jeder von uns trägt einen mehr oder weniger großen „Rucksack“ mit Ballast aus der Vergangenheit mit sich herum. Das ist uns nicht bewusst und erst, wenn die Dinge im Leben schief laufen, spüren wir, dass ein Muster dahinter steckt, wenn wir immer wieder die gleichen „schlechten“ Erfahrungen machen, dieselben ungeeigneten Partner auswählen, bei bestimmten Menschen anecken, mit den Arbeiten nicht fertig werden, Ziele nur so eben gerade erreichen und tief drinnen irgendwie nicht wirklich zufrieden mit unserem Leben sind.
Den Vergangenheits-Ballast abzuwerfen ist nur eines der drei Themen in der Selbsterfahrung. Genauso wichtig ist das Ordnen der Gegenwart (materiell, finanziell und in den Beziehungen). Denn erst, wenn wir uns einen Überblick verschafft haben und die Dinge im Griff haben, sind wir bereit und gerüstet für neue Unternehmungen.
Das dritte Thema, nach dem Thema Vergangenheit und Gegenwart ist natürlich – die Zukunft: Wie soll Ihr zukünftiges Leben aussehen? Wo soll es hingehen. Soll es genauso weiterlaufen wie bisher oder haben Sie noch Träume oder eine Vision, die Sie verwirklichen wollen?
Das Herausfinden des „Lebensauftrags“, das heißt der Aufgaben oder Werke, die uns zutiefst befriedigen würden, wenn wir sie in Angriff nähmen, ist gar nicht so schwer. Man muss es sich nur wert sein, die Zeit und die Mittel aufzubringen um solch einen Wendepunkt im Leben zu ermöglichen.
Die Zeit dazu ist jetzt. Sie wissen doch: »Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es!«.